(Schwetzinger Zeitung vom 16.02.2023, Autor: Jakob Roth, Bild: Norbert Lenhardt)

Beim Planspiel im Bürgersaal des Rathauses zeigen sich die Schüler keineswegs politikverdrossen und diskutieren angeregt einen Entwurf.

Der heutigen Jugend wird oft chronische Politikverdrossenheit vorgeworfen. Organisationen wie „Fridays for Future“ bewiesen jedoch in den vergangenen Jahren, besonders in Bezug auf die bisweilen unzureichende Klimapolitik der Bundesregierung, das Gegenteil. Das Interesse an politischer Teilhabe und Aktivismus ist besonders bei Jugendlichen so groß wie nie zuvor.

Daumen hoch für das Projekt „Bundestag macht Schule“ der Theodor-Heuss-Realschule und der Landeszentrale für Politische Bildung: Julia Wießmann (v. l., freie Mitarbeiterin der Landeszentrale für Politische Bildung Außenstelle Heidelberg), Alex, Ole Fabry (freier Mitarbeiterin bei der Landeszentrale für Politische Bildung), Umutcan, Lars, Florian, Kristian, Leander, Daniel, Melissa, Tim, Emma, Sophia, Mischa, Dzhenifar, Alina und Karin Ellis (Klassenlehrerin der 9c der Theodor-Heuss-Realschule). Bild: Lenhardt 

Eine eigene Meinung politisch geltend zu machen, erfordert jedoch gute Kenntnisse demokratischer Prozesse. Dabei ist es wichtig, genauestens zu verstehen, wie Gesetze in Deutschland entwickelt werden. Die Außenstelle der Landeszentrale für politische Bildung in Heidelberg veranstaltete aus diesem Grund unter dem Projektnamen „Bundestag macht Schule“ im Bürgersaal des Hockenheimer Rathauses ein Planspiel. Bei diesem konnten die neunten Klassen der Theodor-Heuss Realschule den Werdegang eines Gesetzesentwurfes nacherleben.

Im Spiel soll der Weg von der eigenen Meinung bis hin zum fertigen Gesetzesentwurf begleitet werden. Dafür wurde ein fiktives Szenario geschaffen, das sich fast ohne Abweichungen am Arbeitsalltag des Deutschen Bundestags orientiert. Die Seminarleiter Ole Fabry und Julia Wießmann teilten die Schülerinnen und Schüler dafür zunächst einzelnen Fraktionen zu, wobei deren Stärke und politische Agenda der entspricht, die sie auch im Bundestag aktuell haben.

Lediglich die Namen der Parteien wurden minimal abgeändert. Angeregt beschäftigten sich die Teilnehmer schließlich mit einem neuen fiktiven Jugendschutzgesetz, bei dem Alkohol erst ab 18 Jahren erhältlich sein soll. Damit verbunden wären auch Werbeeinschränkungen in Fernsehen und Kinos.

Demokratie verstehen Durch das Planspiel sollen die Schüler politisch aufgeklärt und sozialisiert werden. „Es ist wichtig, dass die Bürger unseres Landes Demokratie verstehen, um somit mehr Verständnis für unsere Gesetzgebungsprozesse zu erlangen“, erklärt Julia Wießmann.

Lange diskutieren die Seminarteilnehmer in Ausschüssen und treffen sich schlussendlich zu einer finalen Abstimmungsrunde im Plenum. Unter der Leitung des Sitzungspräsidenten wird für oder gegen den Beschlussentwurf argumentiert. Sprecher der verschiedenen Fraktionen haben dabei, je nach Größe, unterschiedlich lange Redezeiten und Ansichten. Durch die realitätsgetreue Abbildung unseres Parlamentes müssen sich die Schüler mit einer großen Meinungsvielfalt beschäftigen. Dadurch soll vor allem die Diskussions- und Kompromissfähigkeit gefördert werden.

Das fertige Gesetz stellte nach einem langen Arbeitstag die meisten zufrieden. Viele waren überrascht, dass politische Arbeit nicht langweilig und trocken sein muss, sondern auch spannende Themen behandeln kann – so auch Schüler Tim Dannenberg aus der 9c: „Nach dem Seminar weiß ich tatsächlich viel mehr als vorher. Besonders gut hat mir gefallen, dass wir erleben konnten, wie der Bundestag arbeitet. Viele sind oftmals gegen Gesetze, obwohl sie gar nicht wissen, wie sie gemacht werden. Aus diesem Grund finde ich politische Aufklärung wichtig.“ Auch Schülerin Melissa Lopez war vom Planspiel begeistert: „Der heutige Tag hat mir gezeigt, wie wertvoll eine einzige Stimme bei einer Debatte sein kann. Vorher habe ich mir über so etwas nie Gedanken gemacht. Ich möchte mich daher auch in Zukunft mehr mit Politik befassen.“

In einer abschließenden Reflexionsrunde konnten alle Teilnehmenden den Tag Revue passieren lassen. Die Schülerinnen und Schüler waren begeistert, einmal aus der grauen Theorie des Schulalltags schlüpfen zu können. Die praktische Arbeit machte ihnen Spaß und konnte manch einen auch persönlich bereichern. Durch das Seminar wurde deutlich, wie schwierig es sein kann, Gesetze zu entwickeln, die wirklich nachhaltige, positive Effekte mit sich bringen. Durch „Bundestag macht Schule“ wurde jedoch genau dies möglich.