Schulhof der Theodor-Heuss-Realschule Hockenheim groß

Der ausgewählte Beitrag aus „Aktuelles und Nachrichten“…

Der Schrecken muss erzählt werden

Wer war Kurt Klein? – Ein scheinbar ganz normaler Name. Jeder Nachbar könnte so heißen. Und das war Kurt Klein eigentlich auch. Ein normaler Nachbarsjunge von nebenan, in Walldorf.

Auf die Geschichte von Kurt Klein stieß Wolfgang Widder zufällig. Mittlerweile ist er in der Region kein Unbekannter mehr. Auf seiner Mission kommt er an Schulen und möchte über das Leben von Kurt Klein aufklären. Denn das Leben dieses Jungen änderte sich schlagartig.

Nämlich ab 1933, als die Nationalsozialisten an die Macht kamen. Ab da war dann nichts mehr so normal. Der damals Dreizehnjährige musste einen Teil seiner Jugend in einem Land verbringen, in dem Antisemitismus und Fremdenhass immer mehr toleriert wurden oder eben gewaltsam und von Staats wegen forciert wurde. Kurt Klein emigrierte als Jugendlicher in die USA – gerade noch rechtzeitig. Seine Eltern schafften es nicht mehr. Sie wurden 1940 mit tausenden anderen Juden aus Baden und der Kurpfalz ins französische Gurs deportiert, später im Vernichtungslager Auschwitz umgebracht. Die Kleins aus Walldorf waren keine Nachbarn mehr.

Die Geschichte aus Vertreibung, aber auch Rückkehr, neuen Wegen, Erinnerungen und menschlicher Emotion hat Wolfgang Widder in einer speziellen Form der Erinnerungskultur festgehalten. In der Graphic Novel „Gerda und Kurt. Die Geschichte zweier Juden in der Nazi-Zeit“ erzählt er die bewegende Geschichte des 1937 in die USA geflüchteten Kurt und der Holocaust-Überlebenden Gerda – mit überschaubarem Text und aufbereitet mit den Grafiken von Raïssa Chikh.

„Als Zielgruppe sollen primär Jugendliche angesprochen werden, wobei die Graphic Novel als nur eines von mehreren Stilmitteln gedacht ist, mit denen junge Menschen von dem ungewöhnlichen und dramatischen Schicksal von Gerda Weissmann und Kurt Klein erfahren sollen.“ So schreibt die Jüdische Allgemeine zu Widders und Chikhs Buch.

„Aus Erinnerungskultur lernt man, wenn sie vom Unmittelbaren erzählt“, sagt Geschichtsfachleiterin Martina Clasen. Sie war es, die den Hobbyhistoriker Widder und dessen Erinnerungskultur-Projekt an die Theodor-Heuss-Realschule holte.

Zielgruppe sind vor allem Jugendliche

„Herr Widder übergab uns einen Projektkoffer mit mehreren Ausgaben der Graphik Novel sowie einer Reihe an im Wortlaut originalen Briefen von Kurt Kleins Eltern aus Walldorf in der Nazizeit – Geschichte zum Nachlesen. Nun stehen allen Lehrern für die verschiedenen Fachunterricht und natürlich auch den Schülern dieses bereichernde Material zur Verfügung“, bedankt sich Clasen bei Wolfgang Widder.

Doch ganz ohne ist die Graphic Novel nicht – und trotzdem ist sie es wert, erzählt zu werden – ja, erzählt werden zu müssen. „Ganz am Schluss stehen die Gräber. Das letzte Bild in der Graphic Novel Gerda und Kurt. Die Geschichte […] erinnert an Tote, an viele Tote. Vor allem Widder war das wichtig – ein Happy End hätte er als nicht angemessen empfunden. Erst recht nicht für diese Geschichte von Gerda Weissmann und Kurt Klein, die zwar damit endet, dass die beiden ein Paar werden, aber die von so vielen Verlusten geprägt ist.“ – so die Jüdische Allgemeine.

Daneben liegt dem neuen Projektkkoffer aber auch ein weiteres Buch bei, dass in Deutschland zwar eher unbekannt, in den USA jedoch den Status wie hierzulande Anne Frank hat: Gerda Klein schrieb über ihre Zeit in den Arbeitslagern und ihre Begegnung mit Kurt Klein mit dem Titel „Nichts als das nackte Leben“. Der Klassiker der Holocaust-Literatur wurde 1957 in mehreren Auflagen den USA veröffentlicht und war Grundlage für den Dokumentarfilm „One Surviver Remembers“ der mit einem Oscar ausgezeichnet wurde.

Für den Umgang im Unterricht sieht Clasen auch in Hockenheim Anknüpfungspunkte: „So wie heute in Walldorf Stolpersteine an die ehemaligen Nachbarn Familie Klein erinnern, so gibt es ja auch in Hockenheim Stolpersteine als Orte des Erinnerns, denn auch hier waren einst Nachbarn auf einmal nicht mehr da – ihr Verschwinden verschwiegen. Nur der historische Scheinwerfer kann aufklären und Erinnerung erhalten.“